Jan Kretzschmar: Portfolio

Beim Thema Nachverdichtung scheiden sich die Geister

Beim Thema Nachverdichtung scheiden sich die Geister

Die Nachverdichtung von Quartieren bietet großes Potenzial für den Wohnungsbau. Das können Neubauten sein, aber auch Dachaufstockungen kommen dafür in Frage. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es entstehen keine neuen Siedlungsräume, die wertvolle Freiflächen versiegeln, und es kann an die vorhandene Infrastruktur angeknüpft werden. Trotzdem polarisiert das Thema Nachverdichtung. Oftmals müssen sich Menschen von liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden. Dann wird es Projektentwicklern wie KW-Development mitunter schwer gemacht, ein Neubauvorhaben zu realisieren.

Das zeigte sich auch am Eisenhutweg in Adlershof. KW-Development wollte auf einem jahrelang brachliegenden Grundstück ein Wohnquartier bauen und traf auf deutliche Vorbehalte in der angrenzenden Nachbarschaft. Dabei war lange bekannt, dass die Fläche bebaut werden sollte. Sie ist Teil der städtebaulichen Entwicklung rund um den Wissenschafts- und Medienstandort Adlershof. 

Die Adlershof Projekt GmbH (heute WISTA.Plan) vermarktete die Fläche im Auftrag der öffentlichen Hand. Geplant war, auf dem 32.000 m² großen Grundstück Gewerbebetriebe anzusiedeln. Doch lange Zeit fand sich kein Interessent. Gleichzeitig wuchs der Bedarf an Wohnraum in Adlershof deutlich. Wir haben daher vorgeschlagen, das Grundstück mit 583 Mietwohnungen und einer Kita zu bebauen. Die Adlershof Projekt GmbH überzeugten unsere Pläne.

In der Nachbarschaft war die Stimmung hingegen erst einmal angespannt. Im Vordergrund standen individuelle Alltagsfragen: Wo mit dem Hund Gassi gehen, wenn demnächst Häuser auf der freien Wiese stehen? Wo parken, wenn mehr Menschen mit Autos zuziehen? Ohne ein klares Bild vom Neuen fällt es schwer, sich auf die Veränderungen einzulassen. Die zusätzlichen Wohnungen für den angespannten Berliner Wohnungsmarkt boten kaum Anreiz, sich auf das neue Quartier zu freuen. 

Die neu gebauten Mietwohnungen am Eisenhutweg sind neben einer Einfamilienhaussiedlung entstanden.
Am Eisenhutweg wurden knapp 600 Mietwohnungen gebaut. Eine große Veränderung, die bei einigen Anwohnern auch Fragen zur Parksituation aufwarf. © Andreas Schwarz

Für Menschen, die so reagieren, wurde seit den 1980er Jahren in den USA und Großbritannien der Begriff „Nimby“ geprägt. Er steht für Not in my Backyard (Nicht in meinem Hinterhof). Das beschreibt den Widerstand von Anwohnern gegen Bauvorhaben, die gesellschaftlich eigentlich sinnvoll sind. Ein klassisches Beispiel ist der Bau von Wohnungen oder Kitas. Das findet jeder gut, aber möglichst nicht in der eigenen Nachbarschaft!

Auf „Nimbys“ treffe ich bei unseren Projekten immer wieder. Und nicht falsch verstehen: Natürlich ist es wichtig, über Bauvorhaben offen zu diskutieren. Und es ist verständlich, dass Veränderungen im gewohnten Umfeld Ängste auslösen können. Natürlich haben große Bauprojekte Auswirkungen, beispielsweise auf die Infrastruktur eines Quartiers. Das muss diskutiert, eingeplant und dann mitgebaut werden.

Am Eisenhutweg haben wir auf die Sorgen vor zu wenig Parkplätzen reagiert und ausreichend Stellplätze geschaffen. Die meisten davon in einer Tiefgarage. Und das Wohnquartier ist öffentlich zugänglich. Man kann also weiterhin hindurchspazieren. So konnten dann doch die 583 Mietwohnungen gebaut werden. Diese hat übrigens die kommunale degewo gekauft und bietet jetzt mehr als die Hälfte davon als bezahlbare Sozialwohnungen an. Ein schönes Ergebnis für den Berliner Mietwohnungsmarkt.

Durch den Neubau hat sich auch die Nachbarschaft positiv entwickelt. Ganz in der Nähe entstand ein neues kleines Nahversorgungszentrum mit Supermarkt, kleinen Läden, einer Pflegeeinrichtung und einer weiteren Kita. Davon profitieren jetzt auch die bisherigen Anwohner am Eisenhutweg.

Bedauerlich ist es, wenn am Ende die Interessen Einzelner schwerer wiegen als das Allgemeinwohl. Dann geraten die Dinge aus dem Gleichgewicht. Die Frage, wo Familien wohnen oder ihre Kinder betreut werden, sollte nicht gegen Einzelinteressen ausgespielt werden. Ich finde, es braucht beides: Rücksicht auf das Bestehende und Platz für Neues. Das gilt besonders für so grundlegende Dinge wie Wohnen und Betreuung.

Aus Erfahrung weiß ich: Einfache Lösungen sind selten. Ich diskutiere aber gerne darüber, wie ein Quartier sinnvoll weiterentwickelt werden kann. Dabei liefern die Menschen aus der Nachbarschaft oftmals wertvolle Hinweise. Denn sie wissen am besten, was in ihrem Umfeld gebraucht wird. Von der Politik wünsche ich mir hingegen bei manchen Vorhaben etwas mehr Rückgrat: Auch bei einem kontrovers diskutierten Projekt sollten sie das große Ganze im Blick behalten und nicht nur auf die lautesten Stimmen hören. Mit gutem Willen lassen sich Konflikte beilegen und gute Lösungen finden. Am Ende hilft oft ein ehrliches Gespräch und dafür bin ich jederzeit offen.

Blick über den Brunnen in den Innenhof des neuen Brunnenviertels in der Waldstadt in Potsdam.
In der Waldstadt in Potsdam haben wir das Brunnenviertel neu gebaut. © Andreas Schwarz

Und noch ein Punkt: Vielen ist bekannt, dass die Bodenversiegelung und Zersiedelung immer weiter zunehmen. Hier ist das verdichtende Bauen in bestehenden Quartieren eine wichtige Stellschraube, um kostbare Naturräume zu erhalten. Warum grüne Wiesen am Stadtrand versiegeln, wenn es in der Stadt brachliegende Grundstücke gibt? Eingeschossige Supermärkte, riesige Parkplätze – das sind Flächen, die wir besser nutzen könnten, insbesondere in Ballungszentren wie Berlin und Potsdam.

In Berlin können allein 8.000 neue Wohnungen entstehen, wenn wir vorhandene Gebäude aufstocken. In Siedlungen aus den 1950er und 1960er Jahren schlummert bundesweit ein Potenzial von 625.000 neuen Wohnungen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens bulwiengesa im Auftrag der BerlinHyp. Es wäre angesichts des Wohnraummangels fahrlässig, dieses Potenzial nicht zu nutzen.

Ein Beispiel für eine gelungene Nachverdichtung liegt für mich in der Waldstadt in Potsdam. Hier hat KW-Development auf einer Brache das Brunnenviertel gebaut: Knapp 370 Wohnungen, vier Bürogebäude und eine Kita mit 130 Plätzen haben das Quartier bereichert. Zum Glück konnten wir das Projekt in enger Abstimmung mit Politik und Nachbarschaft auf den Weg bringen und am Ende gemeinsam umsetzen.

Die neue Kita neben dem alten Heizkraftwerk im Quartier Beelitz-Heilstätten.
Die Sanierung der historischen Bestandsgebäude in Beelitz-Heilstätten (rechts im Bild das alte Heizkraftwerk) war Teil eines Gesamtkonzepts: Erst durch Neubauten für rund 3.000 Menschen (links im Bild die neue Kita) ließ sich das Projekt umsetzen. © Andreas Schwarz

Denkmalgeschützte Gebäude sind mitunter dem Verfall preisgegeben, weil eine Sanierung zu aufwendig ist. Die ehemaligen Beelitzer Heilstätten waren ein solcher Fall. Erst durch ein kluges Nachverdichtungskonzept lässt sich dieses Schmuckstück aus dem Dornröschenschlaf wecken. Dort entsteht jetzt im südlichen Bereich der ehemaligen Lungenheilanstalt das Quartier Beelitz Heilstätten. Wir sanieren die wunderschönen historischen Gebäude und bauen ergänzend 500 Wohnungen und 800 Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser für insgesamt 3.000 Menschen. Bei diesen, wie zum Glück bei vielen anderen Projekten auch, sind wir von vielen Seiten unterstützt worden. Es war ein wirklich langer Planungs- und Abstimmungsprozess. Aber am Ende stand ein Konzept, das die Interessen des Denkmalschutzes, der Naturschützer und der Stadt Beelitz berücksichtigt und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig ist. Die ersten Bewohner sind schon in ihr neues, grünes Zuhause eingezogen. Es ist schön zu sehen, wie aus einer Idee eine lebendige Stadt wird. Das gibt Rückenwind, auch für kommende Projekte, bei denen es wieder auf das Miteinander ankommt.

Ihr Jan Kretzschmar

PS: Kürzlich habe ich bei Radio Potsdam auch über Nachverdichtung und das Schaffen von Wohnraum gesprochen. Das Interview kann hier angehört werden:

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