Der Planentwurf nimmt Gestalt an
Nach den ersten Beteiligungen wird es dann konkret. Es geht darum, aus der Projektidee und allen Eingaben einen detaillierten und rechtssicheren Plan zu entwickeln. Ein spezialisiertes Planungsbüro erarbeitet dazu einen förmlichen Bebauungsplanentwurf. Dieser besteht in der Regel aus der maßstabsgetreuen Planzeichnung und den sogenannten „textlichen Festsetzungen“. Die Planintention und -inhalte werden in der Begründung zum B-Plan erläutert. Oftmals wird zusätzlich ein städtebaulicher Vertrag abgeschlossen, in dem weitere Pflichten des Bauherrn festgehalten werden. Für mich ist diese Phase entscheidend. Denn jetzt werden erstmals die Parameter festgelegt, innerhalb derer ich später arbeiten muss. Je präziser diese Festsetzungen sind, desto weniger Interpretationsspielraum – und damit Konfliktpotenzial – gibt es später bei der Bauantragstellung. Sie lassen dann aber auch keine pragmatischen Lösungen zu, falls später Änderungen notwendig werden. Daher muss jetzt so gut es geht, jede Eventualität bedacht und gelöst werden. Und das ist vor allem wieder sehr zeitaufwendig, da es hier darum geht, das goldene Maß zwischen Flexibilität und Eindeutigkeit zu finden. Parallel werden auch die Ergebnisse der beauftragten Gutachten in die Begründung eingefügt, ggf. in textliche oder zeichnerische Festsetzungen gegossen und damit die in den Stellungnahmen aufgeworfenen Fragen beantwortet.
Die Expertenrunde: Fachgutachten als Fundament für Entscheidungen
Die Festlegungen in einem Bebauungsplan werden nicht aus dem „Bauch heraus“ getroffen. Jedes Detail muss faktenbasiert begründet werden. Daraus ergibt sich der Bedarf für zahlreiche Fachgutachten. Unter anderem können das ein Verkehrsgutachten, ein Entwässerungs- und Regenwassermanagement-Konzept, ein Schallschutzgutachten, eine Besonnungsstudie, das Artenschutzgutachten sowie eine Eingriffs- und Ausgleichsbilanz für den Naturschutz sowie Baugrund- und Altlastenuntersuchungen sein. Da neben dem Grundstück am Eisenhutweg eine oberirdische Stromtrasse liegt, war zusätzlich ein Gutachten zur Berechnung und Beurteilung der elektromagnetischen Felder notwendig. In Beelitz-Heilstätten kam noch ein gartendenkmalpflegerischer Rahmenplan hinzu.

Als Gutachter kommen selbstverständlich nur ausgewiesene Experten auf den jeweiligen Fachgebieten infrage. Und bei denen ist es aktuell so ähnlich wie als Kassenpatient beim Facharzt. Sie haben gut zu tun. Selten sind sie sofort verfügbar. Man wartet dann also brav, bis man an der Reihe ist. Oftmals werden die Gutachten noch mehrfach überarbeitet, um Fehler zu beseitigen oder bestimmte Aspekte zu konkretisieren. Kurzum: Die Bearbeitung zieht sich über Monate und ist nebenbei bemerkt auch mit erheblichen Kosten verbunden. Dieser Kostenblock ist nicht zu unterschätzen, wenn man sich fragt, warum die Preise für Neubauwohnungen ständig steigen. Und das betrifft die Preise für Mietwohnungen genauso wie die für Eigentumswohnungen.
Hier ein praktisches Beispiel, wie eine strittige Frage gelöst wird: Am Eisenhutweg befürchteten die Anwohner einen großen Parkplatzmangel. Wir hatten daher 280 Stellflächen auf dem eigenen Grundstück eingeplant. Die Anzahl wurde wegen der 583 neuen Wohnungen als zu gering kritisiert. Der Gutachter konnte durch einen Vergleich belegen: Die Erfahrungen großer landeseigener Berliner Wohnungsbauunternehmen zeigen, dass 0,5 Stellplätze pro Wohnung ein sehr realistischer Wert sind. Der Forderung nach mehr Stellplätzen wurde daher nicht gefolgt. Auch, weil mehr Stellplätze mehr Versiegelung bedeuten.
Der Plan wird öffentlich ausgelegt
Nach all den Gutachten und der Feinabstimmung liegt nun ein vollständiger Planentwurf vor. Zeit für den nächsten großen Schritt: die förmliche öffentliche Auslegung.
Der komplette Planentwurf kann mindestens einen Monat lang von Jedermann eingesehen werden. Das ist im Internet möglich, aber auch in Papierform im Rathaus. Ebenso erhalten alle betroffenen Behörden und Träger öffentlicher Belange die gesamten Unterlagen zum Bebauungsplan zur Prüfung. Für uns als Entwickler ist das eine sehr spannende Phase: Jetzt zeigt sich, ob die bisherigen Bemühungen um Akzeptanz und die Abstimmungen erfolgreich waren. Bei unserem Brunnenviertel-Projekt verlief diese Phase erfreulich ruhig. Während der öffentlichen Auslegung gab es nur eine einzige Stellungnahme, die sich auf Umweltaspekte bezog. Für das Grundstück gab es bereits einen B-Plan, bei dem zur Optimierung der Gewerbegebäude die GFZ moderat erhöht wurde. Für diesen gab es keine Kritik. Wir konnten weitermachen wie geplant.

Ganz anders sah es beim Eisenhutweg-Projekt aus. Hier erhielten wir 33 Stellungnahmen, die sich unter anderem auf die Themen Verkehrsbelastung, Dichte der Bebauung und Umweltschutz konzentrierten. Jede dieser Stellungnahmen muss im weiteren Verfahren erneut einzeln geprüft werden und es muss entschieden werden, wie damit umgegangen werden soll. Das ist ein mitunter langwieriger Prozess, der aber für die Rechtssicherheit des Plans unerlässlich ist.
Die Abwägung, die Rechtsprüfung und der Beschluss
Nach Jahren der Planung, der Gutachtenerstellung und mehrfacher Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden kommt dann der entscheidende Moment. Das Planungsbüro muss alle Informationen zu einem finalen Plan zusammenführen. Sämtliche Anregungen und Kritikpunkte müssen lückenlos aufgegriffen und Interessen gegeneinander abgewogen werden. . Es geht also um einen fairen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten. Auch diese Phase erfordert wieder einige Geduld, denn was fair und was umsetzbar ist, bedarf oft einiger Diskussionen. Für einen Bauherren ist hier Kompromissfähigkeit ein klarer Vorteil, wenn das Projekt nicht kurz vor Schluss in eine Sackgasse geraten soll. Im Zuge der Abwägung entscheidet sich auch, ob die Planzeichnung, die textlichen Festsetzungen oder die Begründung noch einmal angepasst werden müssen und ob dies ein erneutes Beteiligungserfordernis auslöst. Das letzte Wort haben dann die Juristen des Stadtplanungsamts. Sie prüfen, ob der Interessenausgleich gelungen ist, ob das Verfahren rechtlich einwandfrei gelaufen ist und der Plan alle rechtlichen Vorgaben erfüllt. Da heißt es dann wieder einmal Daumen drücken, dass bis hierhin alle Beteiligten gute Arbeit geleistet haben.
Nach erfolgreicher Rechtsprüfung kommt der große Moment: Nach einer Vorbefassung des gemeindlichen Stadtentwicklungs- oder Bauausschusses fasst die Bezirks- oder Stadtverordnetenversammlung den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan und veröffentlicht ihn im Amtsblatt. Damit wird der Bebauungsplan zum Gesetz, an das sich jeder halten muss, der in dem Plangebiet etwas bauen möchte.
Für uns Projektentwickler bedeutet das: Jetzt können unsere Bauanträge genehmigt werden, sofern sie sich an alle Vorgaben des Bebauungsplans halten. Ein Moment, auf den wir oft jahrelang hingearbeitet haben. Mit der konkreten Gebäudeplanung und der Vorbereitung der Bauanträge beginnen wir meist schon während der letzten Phase des Bebauungsplans. Das Grundstück am Eisenhutweg haben wir Ende 2016 gekauft. Der Aufstellungsbeschluss für das vorhabenbezogene B-Plan-Verfahren wurde zwei Jahre später im Januar 2018 gefasst. Der B-Plan ist im Dezember 2021 in Kraft getreten. Im Quartier Beelitz-Heilstätten wurde im Dezember 2017 der Aufstellungsbeschluss gefasst. Im Februar 2021 ist der B-Plan dann in Kraft getreten.

Länger planen als bauen?
Die Grundsteinlegung für das Projekt Eisenhutweg erfolgte am 3. Juni 2022. Für mich ist das einer der schönsten Momente, da es jetzt endlich losgeht. Genau drei Jahre später haben wir die fertigen Wohnungen an die landeseigene degewo übergeben, die das Projekt gekauft hat. Damit waren wir beim Bauen schneller als mit der Planung, und das bei einem Volumen von fast 600 Wohnungen. Und das zeigt für mich das eigentliche Problem: Wenn wir den Wohnungsmangel in unseren Großstätten zügig beenden wollen, helfen uns Ideen, wie das serielle oder modulare Bauen nicht wirklich weiter. Das mag stellenweise Kosten sparen, weil eine Massenproduktion möglich ist. Aber zeitlich spart man, wenn überhaupt, nur wenige Monate.
Der eigentliche Hebel ist für mich das Planungsverfahren. Wenn ein B-Plan mehr Zeit benötigt als der Bau eines ganzen Wohnquartiers, läuft für mich etwas aus dem Ruder. Würden wir hier die Verfahrensdauer massiv reduzieren – also mindestens halbieren – könnten deutlich schneller viele neue bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Denn je länger und komplizierter die Planungsverfahren sind, umso mehr Kosten fallen bereits vor dem Bau an (z. B. für Fachgutachten, laufende Grundstückskosten und Finanzierung). In Marzahn-Hellersdorf arbeiten wir zusammen mit dem Bezirksamt beispielsweise seit 2016 an einem Bebauungsplan für über 400 Mietwohnungen. Ich hoffe, dass dieser B-Plan nach fast 10 Jahren Verfahrensdauer zu Ende 2025 endlich in Kraft tritt und die Bauanträge zügig genehmigt werden. Für den Bau benötigen wir dann „nur“ noch rund zweieinhalb Jahre.
Ich hoffe, dass der sogenannte Bau-Turbo der aktuellen Bundesregierung dazu einen Beitrag leistet, die B-Plan-Verfahren zu verschlanken. Er soll im September oder Oktober im Bundestag beschlossen werden. Dann könnten Wohnungsprojekte auch ohne ein B-Plan-Verfahren genehmigt werden, wenn die zuständige Gemeinde dieser Ausnahme zustimmt. Umweltprüfungen bleiben weiter verpflichtend. Die Vereinfachung soll auf fünf Jahre begrenzt werden. Die Verantwortung liegt dann bei den Bauämtern und der kommunalen Politik. Wenn sie schnell neue Wohnungen bauen möchte, gibt ihnen der Bau-Turbo dafür ein mächtiges Werkzeug in die Hand. Wenn sie Wohnungsbau verhindern wollen, werden sie voraussichtlich Argumente finden, warum der Bau-Turbo in diesem speziellen Fall nicht angewendet werden kann. Ich möchte nicht pessimistisch sein. Aber ich bin sehr gespannt, ob die politische Absicht, die hinter dem Bau-Turbo-Gesetz steckt, in der Praxis die gewünschte Wirkung entfalten wird. In einem Jahr wissen wir mehr.
Ihr Jan Kretzschmar
PS: Kürzlich habe ich bei Radio Potsdam auch darüber gesprochen, was man unter einem Bebauungsplan versteht. Das Interview kann hier angehört werden:
